Interview mit Linda Teuteberg

Interview zur Bundestagswahl 2021

Das Interview mit der Bundestagsabgeordneten Linda Teuteberg (FDP) hat Lars Eichert (Haus & Grund Brandenburg) geführt.

Lars EichertEichert: Die Politik hat das Thema Wohnen als eines der wichtigen Themen ausgemacht. Insbesondere die Kosten des Wohnens sind in der Diskussion ein zentrales Thema. Kappungsgrenze, Mietpreisbremse und Mietendeckel sind die Stichworte hierzu. Wie stehen Sie und Ihre Partei zu Mietpreiseingriffen?

Linda TeutebergTeuteberg: Wir Freie Demokraten wollen die Mietpreisbremse abschaffen und einen bundesweiten Mietendeckel verhindern. Statt staatlicher Mietpreiseingriffe und Enteignungsinitiativen brauchen wir eine Entspannung des Wohnungsmarktes durch ein erhöhtes Angebot an günstigem Wohnraum. Staatliche Mietpreiseingriffe schaffen keine einzige neue Wohnung und helfen den Menschen, die händeringend eine Wohnung suchen, nicht weiter. Zugespitzt lautet unsere Devise: Bauen statt Klauen. Dafür benötigen wir mehr und nicht weniger Vertrauen darin, dass Eigentum in unserem Land geschützt wird und Leistung und Investitionen sich lohnen. Die diskutierten Eingriffe in Preisbildung und Eigentumsordnung sind Teil des Problems und nicht der Lösung. Praktisch wirksame Lösungen im Rahmen unserer freiheitlichen Verfassung müssen Ziel verantwortlicher Politik sein.

Eichert: Anders als große Gesellschaften oder Konzerne können private Kleinvermieter Mindereinnahmen oder gar Verluste nur schwer kompensieren. Was halten Sie davon, die privaten Kleinvermieter bei den Mietpreiseingriffen auszunehmen?

Teuteberg: Staatliche Mietpreiseingriffe sind wie dargelegt grundsätzlich falsch und werden durch Ausnahmen nicht richtig. Die Kleinvermieter, von denen die meisten aufgrund fairen Umgangs ein gutes Verhältnis zu ihren Mietern haben, verdienen wie generell die Eigentümer in diesem Land Rechts- und Planungssicherheit statt ständiger staatlicher Eingriffe und spalterischer Klassenkampfrhetorik für Ideen aus der sozialistischen Mottenkiste.

Eichert: Vermieter, die Wohnungen zu einer Miete deutlich unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete vermieten, wird vom Finanzamt die Geltungmachung von Werbungskosten verwehrt. Müssten diese nicht im Grunde dafür belohnt werden, dass sie günstigen Wohnraum anbieten?

Teuteberg: Diese Regelung, die ursprünglich der Vermeidung von Gestaltungsmissbrauch dienen sollte, bedarf einer Überarbeitung. Als Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag haben wir dazu einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der etwa die steuerliche Benachteiligung bei sozialverträglicher Vermietung beseitigt hätte. Die Regierungskoalition aus Union und SPD hat unseren Vorschlag im Deutschen Bundestag abgelehnt.

Eichert: Im Umfeld von Berlin und Potsdam gibt es eine große Nachfrage nach Wohnungen, aber wenig Angebote. Wie wollen Sie den Neubau von Wohnungen forcieren?

Teuteberg: Wir halten es für erforderlich, die lineare Abschreibung für Wohnungsbauinvestitionen von zwei auf drei Prozent zu erhöhen. Neben der steuerlichen Förderung, die erhöhten energetischen Anforderungen und kürzeren Lebensdauern vieler Gebäudekomponenten Rechnung trägt und bessere Anreize setzt, müssen die Genehmigungsverfahren modernisiert und beschleunigt werden. Wir setzen uns für die Einführung eines digitalen und teilautomatisierten Baugenehmigungsverfahrens ein. Letztlich benötigen wir auch eine ehrliche gesellschaftliche Debatte über die Notwendigkeit zusätzlichen Wohnungsbaus. Denn auch sinnvolle Bauprojekte werden immer wieder verhindert. Dass das Tempelhofer Feld in Berlin z.B. nicht behutsam bebaut wird, ist mit Blick auf fehlenden Wohnraum in der Stadt ein Fall unterlassener Hilfeleistung. Hier ist allzu oft das St.-Florians-Prinzip zu beobachten. Wir wollen, dass möglichst viele Menschen die Chance haben, Eigentum und Vermögen aufzubauen. Der Eigentumsanteil ist in Deutschland niedriger als in vielen anderen Ländern. Statt Volkseigentum wollen wir ein Volk von Eigentümern. Deshalb sehen wir mit Sorge, dass die Bundesländer immer wieder an der Steuerschraube drehen und die Grunderwerbsteuer erhöhen. Damit wird der Eigentumserwerb immer mehr erschwert, weshalb wir für die erste selbstgenutzte Immobilie bundesweit einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer vorsehen in Höhe von 500.000 € (für Paare und Familien, 250.000 € für Alleinstehende). Der Traum von den eigenen vier Wänden wird so für mehr Normalverdiener und Familien realisierbar.

Eichert: Ein Problem für Neubau ist mangelndes Bauland. Ist das Baulandmobilisierungsgesetz in Ihren Augen der richtige Weg, um dies Problem anzugehen? Wo und wie müsste das Gesetz gegebenenfalls verbessert werden?

Teuteberg: Das Baulandmobilisierungsgesetz stärkt die rechtlichen Möglichkeiten der Kommunen gegenüber Eigentümern von Flächen, bringt aber keine Dynamik in die Bereitstellung von Bauland. Die Chance, mit dem Baulandmobilisierungsgesetz ein Maßnahmenpaket zu schnüren, das es den Kommunen ermöglicht, schnell günstiges Bauland auszuweisen, die Nachverdichtung in Innenstädten zu erleichtern, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen oder sogar der Immobilienwirtschaft zusätzliche Anreize für neue Investitionen zu geben, wurde vertan. Vielmehr macht das Gesetz zahlreiche Verfahren noch langsamer. Insbesondere hindert es mit dem Umwandlungsverbot Menschen daran, den Traum von den eigenen vier Wänden zu realisieren und schwächt die Attraktivität von Eigentum an Wohnimmobilien. Dabei benötigen wir mehr und nicht weniger Vertrauen und Investitionsbereitschaft. Wir Freie Demokraten wollen stattdessen eine echte Offensive für bezahlbaren Wohnraum, die höhere bauliche Dichten ermöglicht, Umnutzungen erleichtert und zügige Verfahren im Bauplanungsrecht ermöglich. Außerdem sollte der Bund nicht mehr benötigte Liegenschaften mittels beschleunigter Konzeptvergabe schneller veräußern. Wichtig ist auch, dass die Kostenrisiken bei der Flächenentwicklung, etwa für die benötigte Infrastruktur, reduziert werden. Wir wollen ein Baulücken- und Potentialflächenkataster einführen. Auf dessen Grundlage können die Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten konkrete Zeit- und Maßnahmenpläne zur Bebauung dieser Flächen entwickeln. Dachausbau und Dachaufstockung müssen konsequent entbürokratisiert und erleichtert werden. Das Potential der Digitalisierung für effizientere und zügigere Verfahren muss endlich gehoben werden.

Eichert: Würden Sie eine Pflicht zur Baulandschaffung für Kommunen und ein Verbandsklagerecht zur Durchsetzung der kommunalen Planungspflicht befürworten?

Teuteberg: Einer generellen Pflicht der Kommunen stehe ich sehr skeptisch gegenüber, schließlich gilt es die kommunale Selbstverwaltung und damit auch kommunale Eigenverantwortung zu achten. Für ihr Tun und Unterlassen müssen sich die Verantwortlichen dann dem Votum der Bürgerinnen und Bürger bei Kommunalwahlen stellen. Verbandsklagrechte sind schon heute ein großes Problem für Planungsverfahren in unserem Land, wir brauchen weniger und nicht mehr davon. Mit Blick auf die bundespolitischen Rahmenbedingungen für Eigentum und Wohnungsbau haben die Wählerinnen und Wähler es bei dieser Bundestagswahl in der Hand, sich für Freiheit und Verantwortung, für Privateigentum und Investitionsbereitschaft oder für ein Weiter so mit der Union oder einen noch weiteren Linksruck hin zu Dirigismus, Planwirtschaft und Mangelverwaltung zu entscheiden. Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft erneuern, auch und gerade mit Blick auf den Stellenwert des Eigentums und die richtigen Rahmenbedingungen für ein vielfältiges Angebot an Wohnraum.

Eichert: Die Ursachen für die hohen Kosten von Neubauten und damit den höheren Neubaumieten sind teures Bauland, die ständig steigenden Anforderungen an Neubauten sowie die stark angestiegenen Baupreise. Wie würden Sie die Kosten für den Neubau reduzieren?

Teuteberg: Wir Freie Demokraten wollen Bauen günstiger machen und dazu einen Baukosten-TÜV einführen, der neue Regelungen auf ihre Kostenfolgen für Bauen und Wohnen überprüft. Unser Ziel ist es, kostenverursachende Normen möglichst zu vermeiden und Entscheiderinnen und Entscheidern eine transparente Grundlage für ihr Handeln zur Verfügung zu stellen. Insbesondere EU-Richtlinien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinaus umgesetzt werden. Die Empfehlungen der Baukostensenkungskommission harren einer konsequenten Umsetzung. Bestehende kostentreibende Regelungen wollen wir kritisch überprüfen und ggf. anpassen. Maßnahmen zur Digitalisierung der Verfahren und zur verstärkten Ausweisung von Bauland müssen hinzukommen.

Eichert: Der Traum vom Eigenheim ist weit verbreitet. Nun sind verschiedentlich Forderungen aufgestellt worden keine Einfamilienhäuser mehr zuzulassen. Diese wurde mit Klimazielen und der höheren Ausnutzung von Bauland durch Geschosswohnungsbau begründet. Was halten Sie von solchen Forderungen und der Begründung dafür?

Teuteberg: Wir Freie Demokraten wollen nicht private Lebensentwürfe zensieren und daher auch nicht bestimmte Bau- und Wohnformen vorgeben oder verbieten. Es geht vielmehr um gute Rahmenbedingungen für ebenso freie wie verantwortungsvolle Entscheidungen. Selbstverständlich spielen Fragen z.B. des CO2-Ausstoßes, der Energieeffizienz und des Flächenverbrauches eine Rolle bei Entscheidungen zur Stadt- und Bauplanung. In beengten Großstädten ist die Baulandsituation anders zu beurteilen als in kleineren und ländlichen Gemeinden. Moderne Einfamilienhäuser im Passiv- oder Null-Energie-Standard können sich durchaus mit dem Geschosswohnungsbau messen. Darüber hinaus ist der Eigenheimbau für viele Familien von besonderer Bedeutung für die Wohneigentumsbildung und Altersvorsorge.

Eichert: Klimaschutz ist eine wichtige Aufgabe, hat aber in den letzten Jahren bereits deutlich mit zum Anstieg der Wohnkosten beigetragen. Wie stehen Sie dazu, energetische Modernisierungen aus CO2-Einnahmen zu fördern?

Teuteberg: Natürlich ist der Klimaschutz ein wichtiges Anliegen. Gerade deshalb muss er gut gemacht werden und nicht nur gut gemeint sein. Doch es ist fast schon absurd: Auf der einen Seite stellt der Staat immer höhere Anforderungen an die Eigentümer, gerade was die Energiestandards oder die Barrierefreiheit angeht. Wenn dann aber ein Gebäude modernisiert wird, ist der Vermieter wieder der Buhmann, weil durch den höheren Wohnwert die Mieten steigen. Die Bundesregierung legt bei den Vermietern alle Daumenschrauben gleichzeitig an. Das halten wir Freie Demokraten für grundfalsch, denn wir brauchen die private Wohnungswirtschaft und die vielen kleinen privaten Vermieter, um Wohnraum zu schaffen und zu modernisieren. Dafür brauchen wir die richtigen, verlässlichen Anreize und z.B. eine Erhöhung der Abschreibung von 2% auf 3%. Zur wirksamen und effizienten CO2-Vermeidung haben wir einen besseren, marktwirtschaftlichen Ansatz: die Ausweitung des Emissionshandels. Wir wollen den Handel auf den Bereich Wärme ausdehnen und so den Ausstoß von CO2 wirksam deckeln. Generell wollen wir die Bürger entlasten, indem z.B. die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt und die EEG-Umlage schrittweise abgeschafft wird. CO2-Einnahmen sollten nicht für andere Zwecke im Haushalt verplant, sondern an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden. Schließlich geht es um Klimaschutz, nicht um die Erhöhung von Abgaben und Staatseinnahmen.

Eichert: Im oder auf dem Haus erzeugter Ökostrom den Mietern in Rechnung zu stellen ist vom Gesetzgeber nicht gerade einfach ausgestaltet. Was halten Sie davon dies radikal zu vereinfachen und dem Vermieter die Abrechnung von Solarstrom unbürokratisch über die Betriebskostenabrechnung zu ermöglichen?

Teuteberg: Es gibt sehr vielversprechende Mieterstrommodelle. Hier brauchen wir ebenso dringend Reformen, denn damit steigern wir auch die Akzeptanz der erneuerbaren Energien insgesamt: So sollten z. B. die Stromlieferung und -abrechnung an die Mieter vereinfacht und Quartierskonzepte vorangetrieben werden. Auch die Abschaffung der EEG-Umlage und die Senkung der Stromsteuer würde Unternehmen und Verbraucher finanziell entlasten und Bürokratie abbauen.

Eichert: Lebendige Innenstädte haben eine große Bedeutung für die Attraktivität und Lebensqualität von Städten. Die Entwicklungen der Coronapandemie haben den Innenstädten zusätzliche Probleme bereitet. Wäre der Erlass von Grund- und Gewerbesteuer für Innenstadtlagen, die besonders vom Attraktivitäts- und Funktionsverlust betroffen sind, für Sie ein Instrument, um für Eigentümern einen Anreiz für Investition in ihre Immobilie und damit der Wiederbelebung der Innenstädte zu schaffen? Welche anderen Anreize würden Sie zusätzlich oder stattdessen schaffen wollen?

Teuteberg: Als Stadtverordnete habe ich mich im Interesse der Betroffenen für die Senkung der Hebesätze eingesetzt, was von der Mehrheit der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung leider abgelehnt wurde. Ein Antrag auf vollständigen Erlass hätte gar keine Chance auf Erfolg gehabt. Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass es keinen neuen Lockdown gibt und Handel und Gastronomie verlässliche Regelungen für ihren Weiterbetrieb erhalten. Wir haben zudem beantragt, dass die Stadtverordnetenversammlung sich dazu bekennt, auf weitere Steuererhöhungen zu verzichten. Dies wäre ein wichtiges Signal an die Eigentümer und Gewerbetreibenden für Vertrauen und Zuversicht.
Angesichts der existenzbedrohenden Situation des Einzelhandels müssen wir die Menschen wieder für einen Innenstadtbesuch begeistern! Kunden wollen einen Ort besuchen, der Aufenthaltsqualität verspricht. Daher funktionieren Innenstädte nur, wenn es ein symbiotisches Miteinander von Handel, Gastronomie, Dienstleistungen, Wohnen etc. gibt. Wir brauchen eine Entlastung von Abgaben und ein Weniger an Bürokratie. Kunst und Kultur, Ausstellungen und Aufführungen können das Einkaufserlebnis beleben. Wir brauchen lokale Foren, die Gewerbetreibende, Gastronomie, Stadtverwaltungen, Bürger und Kreativszene zusammenbringen, um Ideen für unsere Innenstadtlagen zu entwickeln. Und zwar abgestimmt auf die lokalen Gegebenheiten, die in Fürstenwalde anders sind als in Potsdam. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir auch morgen attraktive Kommunen haben wollen. Sonst drohen uns unwirtliche und verwaiste Innenstädte, in denen niemand mehr einkaufen will und auch die Immobilienpreise fallen.

Eichert: Was halten Sie von einem Aufstocken der Städtebauförderung auf mindestens 1,5 Milliarden Euro und einer Stärkung der Programme „Lebendige Zentren“ und „Wachstum und nachhaltige Erneuerung?“

Teuteberg: Das befürworte ich.

Eichert: Wie stehen Sie zu einem Förderbonus für Städte und Gemeinden, die in Fördergebieten verstärkt Projekte mit kleinteiliger Eigentümerstruktur durchführen oder das Ziel haben eine kleinteilige Eigentümerstruktur in diesen Gebieten zu schaffen?

Teuteberg: Eigentum ist Ausdruck von Verantwortung, es motiviert die Menschen, sich für ihr Viertel oder ihre Kommune einzusetzen. Wir brauchen mehr Unternehmertum, mehr Engagement für unser Gemeinwesen und mehr private Initiative. Das ist aber in erster Linie eine Frage der Rahmenbedingungen für Eigentum und Investitionen generell und weniger von punktuellen staatlichen Boni, die letztlich auch aus zuvor eingenommenen Steuern finanziert werden müssten. Bemühungen um eine vielfältige, breitgefächerte Eigentümerstruktur unterstütze ich.

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